Rosenheimer Glückseligkeit
Rosenheim gegen Landshut. Oberbayern gegen Niederbayern. Grün gegen Rot. Eine Feindschaft, die schon länger andauert als die meisten von uns auf dieser wunderbaren Welt weilen.
(Foto: Bianca Krauß)
Der Derby-Tag beginnt um 08:46 Uhr mit einer Instagram-DM aus der Community. Sebi schreibt: „Tausche Eisblog-Tattoo gegen eine eurer Karten heute“. Sebi ist aus Rosenheim, unschwer zu erkennen an grün-weißen Farben in der Nachricht – und ich verstehe Sebi. Rosenheim gegen Landshut ist sicherlich eines der geilsten Derbys, das wir in Deutschland haben.
Rund 80 Minuten vor Spielbeginn beginnen dann die verbalen Beleidigungen beider Fanlager gegeneinander. Stilecht mit möglichst vielen aneinandergereihten Schimpfwörtern. Die Hütte ist (natürlich) seit Wochen voll, die Stimmung schon weit vor Spielbeginn herausragend. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand ahnen, dass wir über 65 Spielminuten auf einen Treffer werden warten müssen.
Beide Teams schenkten sich keinen Zentimeter Eis. Das mag eine ausgelutschte Floskel sein, trifft auf das heutige Spiel aber zweifellos zu. Vogler und Pasanen zeigten den gegenseitigen Respekt voreinander in einer jeweils doch recht defensivorientierten Struktur. „Bloß keinen Fehler machen“ war die Devise. So hatte es schon fast etwas von einem Playoffspiel und leider ging dadurch (spielerisch!) auch etwas der Derby-Charakter verloren. Versteht mich nicht falsch: Beiden Teams merkt man an, dass sie nicht grundlos dort oben stehen. Doch es fehlte über weite Strecken das Krachen an der Bande, der Dirty Talk, der versteckte Stockschlag in die Kniekehle.
Das Schiedsrichtergespann hatte auch dadurch 50 Minuten lang recht leichtes Spiel und sich auch ein Lob für die lockere Leine verdient, die dann aber für die letzten zehn Minuten - und meiner Meinung nach damit zum komplett falschen Zeitpunkt - auf einmal auf Spannung gebracht wurde. Gott sei Dank nicht spielentscheidend. Dennoch: 5/6 des Spiels souverän, das gilt es dann auch positiv hervorzuheben.
Rosenheim feierte den sechsten Sieg in Folge und ersten DEL2-Derbysieg seit 2015 schlussendlich logischerweise dank eines starken Oskar Autio und des genialen C.J. Stretch mit dem doppelten Shootout-Treffer. Verdient? Schwer zu sagen, auf jeden Fall ging die Punkteteilung in Ordnung.
Die Starbulls Rosenheim haben den Respekt der Eishockey-Familie verdient. Nicht (nur), weil sie heute als Sieger vom Eis gehen. Vielmehr, weil man jeder Faser des Clubs anmerkt, dass die – ohnehin schon bemerkenswerte - Entwicklung bei weitem noch nicht abgeschlossen sein soll. Auch für die kommende Saison sind infrastrukturelle Verbesserungen bereits jetzt in Planung. Solche handelnden Personen braucht Eishockey-Deutschland. Unabhängig vom Standort.
Rund um das Spiel war es wieder einmal die Möglichkeit, mit vielen netten Menschen ins Gespräch zu kommen. In unsere DMs slidete am Ende nicht mehr Tattoo-Ticket-Tausch-Sebi, dafür aber unzählige SBR-Fans, die heimlich Videos und Fotos von mir machten mit dem neudeutschen Wort „spotted“ versahen. Wenn das mal kein Trend wird.
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Simon Rentel