The Great 8 und die 895

Es wirkt wie in einem überspitzten Hollywoodfilm. Der Hauptakteur begibt sich auf eine lange Reise, wo ihm viele sagen, dass er diese nicht schaffen wird, da er zu alt ist und das Ziel viel zu weit entfernt ist. Doch an ihm prallt dies alles ab. Zwar kommt er seinem Ziel näher, aber jünger wird auch er nicht. Seine Weggefährten versuchen alles, damit auch sie ein Teil dieses Abenteuers sein können. Alles wirkt auf den Hauptakteur zugeschnitten und plötzlich scheint der Schalter noch einmal umgelegt worden zu sein. Selbst die schärfsten Kritiker sehen, dass er möglicherweise am Ziel ankommen kann.

Vorschau

(Foto: IMAGO - Imagn Images - Geoff Burke)

Ein Rekord für die Ewigkeit scheint doch ein Ablaufdatum zu haben. 

Als Alexander Ovechkin im Sommer 2021 seinen Vertrag beim US-Hauptstadtfranchise um weitere fünf Jahre verlängerte, begannen die Diskussionen. Wird er DEN Torrekord von Wayne Gretzky knacken können? Immerhin stand er bei 730 Treffern, also noch 164, um mit dem besten Eishockeyspieler gleichzuziehen. „Ovi“ war damals 35 Jahre alt und viele glaubten, dass er diese Zahl in dem hohen Alter nicht mehr schaffen kann. Er sollte seine Kritiker zum Schweigen bringen. Seinen Spielstil hat er perfekt zu seinem Alter angepasst, denn in der Regel steht er im offensiven Drittel links vom Tor und schmettert die Pucks ins Netz. Viele machten sich schon darüber lustig, da es so wirkte, als ob er sich für längere Zeit gar nicht bewegen würde. Trotzdem kann man ihn eben nicht verteidigen, ähnlich wie das Reinziehen von der rechten Seite von Arjen Robben. Jeder Verteidiger und Torhüter weiß was kommt, aber hat trotzdem kein Gegenmittel. Das macht es umso bemerkenswerter. Bemerkenswert ist daran eben auch, dass dieser Spielstil nicht altert, perfekt für einen 39-Jährigen. Dies sieht man auch an seinen Zahlen. Auf der Jagd nach dem Rekord war Ovi zwischenzeitlich mal über 150 Tore hinter Gretzky. Nur damit er ein Spiel früher als Gretzky die 894 einstellte. Gerade einmal 1486 Spiele brauchte der Russe. So gut reift nicht mal der Wein von Günther Jauch. 

Besonders macht diese Geschichte eben auch, dass er nicht irgendeinen Rekord von irgendeinem Spieler knackte, sondern, dass er den Torrekord von eben jenem EishockeyGOAT brach. Ein Rekord, von dem man dachte, er sei für die Ewigkeit. Dadurch schlägt die Jagd am Ende noch einmal hohe Wellen. Nachdem Ovi mit Gretzky gleichzog, eskalierten nicht nur die Ticketpreise für das Spiel gegen die NY Islanders, sondern auch viele sportjournalistische Medien berichteten nur darüber. Beispielsweise war das renommierte englische Sportblatt „The Athletic“ wenige Stunden vor dem großen Spiel voll mit Berichten über Ovechkin, welche die Startseite zierten. 

Allerdings ist auch er nicht immer nur dieser Sunnyboy, was nicht an seinen Zahnlücken liegt, sondern eher mit der berechtigten Kritik durch seine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Hätte die NHL mit Beginn des Kriegs so durchgegriffen wie beispielsweise der IOC oder IIHF, hätte „Ovi“ nie diesen Rekord brechen können. Stattdessen spielen russische Cracks weiterhin in der NHL, auch wenn sie sich nie von Putin distanziert haben. Muss die Liga eben selbst wissen, wieviel der Sport mit der Weltpolitik zu tun hat. Aber wer weiß, vielleicht gibt es auch bald wieder spiele zwischen den USA und Russland. Gut, dass politische Einstellung nicht die sportliche Leistung schmälert, auch beim GOAT. 

Was den Spielfilm dann so perfekt abrundet ist nicht nur die Inszenierung über das komplette Jahr von der Liga und dann auch bei dem Treffer (am liebsten hätten sie „Ovi“ direkt den Stanley Cup gegeben), sondern auch dieses letzte Spiel, das zum Tor gegen die Islanders führte. Es ist offensichtlich ein Powerplay-Tor zum 1:2 und die ganze Halle rastet aus. Kurze Anmerkung: Das Spiel war in New York, wobei ich auch ausgerastet wäre, wenn ich so viel für meinen Sitz bezahlt hätte und dann keinen Rekord gesehen hätte. Das Endergebnis – Nebensache. Zudem können die Islanders offiziell von sich behaupten, dass sie Rekordmacher sind, denn auch Gretzky traf gegen sie zu seinem 894. Treffer. Heimlich trauern die Caps und die restlichen Franchises, wo „Ovi“ und sein Team noch zu Gast sind trotzdem, da sie nun keine Tickets für 10.000 Dollar verkaufen können. 

7124 Tage hat Ovechkin für seine 895 Treffer gebraucht. Jetzt bleiben nur noch drei Fragen offen. Wie viele Treffer werden es noch? Kann jemand jemals den neuen Torrekord knacken? 9506 Tage hat der Rekord von Gretzky gehalten, von dem viele glaubten, er habe kein Ablaufdatum. Und natürlich die wichtigste Frage: Für wieviel verkauft die NHL die Rechte dieser Geschichte an Hollywood? 
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Torben Reith