Der Mensch Moritz Wirth
Moritz Wirth ist Eishockeyspieler. Soweit seid ihr sicher alle bei mir. Ein verdammt guter noch dazu. Vor wenigen Wochen schaffte er erstmals den Sprung in die A-Nationalmannschaft. Nun gab es den Wechsel nach Düsseldorf. Doch Moritz Wirth ist noch mehr als „nur“ Eishockeyspieler. Er hat sich die Zeit genommen, sich mit mir zu unterhalten.

(Foto: DEB – City Press)
„Ruhephasen braucht man auch, aber wir haben ja genug Zeit eigentlich“, erzählt Moritz Wirth ganz nebensächlich. Ich hatte ihn angesprochen auf die Projekte, die er neben dem Eis angreift. Dieser Satz hat mich beeindruckt. Die Spezies „Eishockeyspieler“ ist eine spezielle. Meist super Menschen, total locker und sehr umgänglich. Aber irgendwie auch etwas verwöhnt. „Man hat unter der Woche an Trainingstagen meistens ab spätestens 14 Uhr frei und ist damit flexibel. Im Sommer hast du drei volle Monate wo du meistens ortsunabhängig bist“, erzählt mir Wirth. Blicke ich auf befreundete Eishockeyspieler, führt der Weg nachmittags gerne zum Ratschen in Cafés, auf den Golfplatz oder zum Playstation-Zocken auf die Couch. Bei Moritz Wirth ist das meist anders.
„Priorität Nummer eins ist Eishockey, das ist meine größte Leidenschaft. Aber ich habe ein vielseitiges Leben“, erklärt der Defender. Er habe sich eine eigene Balance geschaffen. Neben dem Eishockey hat er ein Kunstprojekt, das auf den Namen „Art on Strings“ hört. Das Konzept? So einfach wie spannend. „Die Idee ist: Was passiert mit einem Streichinstrument, wenn es in die Hände eines bildenden Künstlers fällt?“, so Wirth. Er und sein Geschäftspartner suchen sich Künstler aus, die Geigen, Violas oder Cellis gestellt bekommen. „Der Künstler hat dann die volle Freiheit. Wir haben mit einem Künstler gearbeitet, der hat das Instrument zersägt und eine Skulptur draus gemacht. Ein anderer Künstler hat mit Zement gearbeitet.“
Die Leidenschaft für die Kunst und Streichinstrumente musste in Moritz Wirth reifen, wurde aber früh verankert. Sein Papa, beruflich Geigenbauer, hat ihn früher nicht nur zum Training beim EHC 80 Nürnberg gefahren, sondern auch immer wieder in die eigene Werkstatt mitgenommen. „Diese filigrane Arbeit an den Instrumenten zu sehen, ist eigentlich schon eine Kunst für sich. Man lernt das auch zu schätzen, wenn man das sieht, wie so ein Instrument entsteht. Und ich hatte auch immer durch meine Mutter, die früher viel Spaß an Kunst hatte, im Unterbewusstsein viel von der Kunst mitbekommen“, erzählt Wirth. Die eigene Leidenschaft habe er dann auf verschiedenen Ausstellungen geformt, besonders die Banksy-Ausstellung in Heidelberg habe ihn beeindruckt – verständlich.
Nun also lebt der 23-Jährige seine erweckte Leidenschaft bei „Art on Strings“ aus. Aktuell gibt´s zusätzlich zu seinem Kunstprojekt noch eine weitere Säule in seinem Leben: Gemeinsam mit der Firma „The Squad“ hat Wirth eine eigene Mode-Kollektion herausgebracht. Das Ganze erfolgt in einem Drop-Prinzip. Bedeutet, dass die Kollektion nur für drei Wochen verfügbar ist und danach verschwindet. Bis 21. Mai sind die Artikel noch im Shop, die Resonanz sei aber jetzt schon „überragend“. „Die Jungs waren so cool um mich zu fragen, da als Erstes mitzumachen, da war ich sehr sehr gerne dabei. Mir persönlich gefallen die Sachen sehr gut, ich trage sie auch selbst. Auch in den Gestaltungsprozess wurde ich voll eingebunden.“ Wirth wird übrigens nicht der letzte Eishockeyspieler bleiben, der einen „Drop“ für die Firma entwirft.
Nun also steht neben Kunst, Merch, Freundin, Master-Studium (Psychologie und... na klar... Business) auch das Sommertraining an. Für Moritz Wirth hat sich durch den Wechsel nach Düsseldorf die Chance ergeben, wieder in einer Großstadt zu leben. Seine Freundin pendelt als Model zwischen Mailand und dem jeweiligen Wohnort von Wirth. Stillstand gibt´s zuhause also selten. Der gebürtige Frankfurter bezeichnet sich selbst als ehrgeizig. Passend. Manchmal stehe ihm die Selbstkritik aber auch im Weg. „Ich versuche ein bisschen lockerer zu bleiben. Ich schaue mir meistens die Videoanalyse nach den Spielen an und realisiere dann, dass es gar nicht so schlimm war wie ich es in Erinnerung hatte“, so Wirth. Doch was, wenn alles mal über den Kopf wächst? „Ich würde sagen, ich habe mehrere Quellen in meinem Leben aus denen ich Energie ziehen kann. Ob das die Freundin ist, Sport, die Familie, das Studium oder mein Kunstprojekt. Das ist alles ein ganz cooler Ausgleich und ich glaube, auch mental eine Riesen-Hilfe. Wenn es in einem Bereich mal nicht so gut läuft und dass das Ein und Alles wäre, wäre das schwieriger zu verarbeiten. So kann ich ganz gut positive Energie schöpfen für verschiedene Lebensbereiche.“ Eine sich stetig ausgleichende Waage also.
Das Kapitel Bremerhaven schließt sich für Wirth nun. Schon mit 13 zog er von zuhause aus, um ein kanadisches Eishockey-Internat in Österreich zu besuchen. Über die Red Bull Akademie, Stationen in Nordamerika und nun eben den vierten Verein in der PENNY DEL reifte der Verteidiger zum Nationalspieler. Bei den ersten Lehrgängen auf die WM-Vorbereitung war er dabei. Er selbst beschreibt es als „brutalen Spaß sich mit den Besten des Landes messen zu können.“ „Können“. Das zieht sich bei Moritz Wirth durch das Interview. Die Ausübung des Eishockeysports als Beruf ist für ihn ein Privileg, das merkt man deutlich. „Ich glaube, dass es auch charakterlich viel ausmacht, so einen Weg gehen zu können. Meine Liebe, die ich als Kind zu dem Sport gefunden habe, führe ich jetzt weiter. Deswegen leben wir als Eishockeyspieler den Traum“, so Wirth. „Durch die Philosophien, die von verschiedenen Trainern kommen geht man durch eine Eishockeyschule, die gleichzeitig auch eine große Schule fürs Leben ist.“
Die Schule fürs Leben wird für Moritz Wirth nie enden. Angesprochen auf den Olympia-Traum 2026 – passenderweise übrigens in Mailand - gibt´s von ihm nur ein Lachen und ein „Who know´s“. Dass die Ziele hochgesteckt sind, haben wir ja mittlerweile rausgefunden. Ich werde den Weg weiterverfolgen, Düsseldorf darf sich freuen.
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Simon Rentel