Wir sind doch nicht mehr im Jahr 2000
Der 03. September 2024 startet mit einem viel zu frühen Wecker, einer seit Tagen leeren Tube Zahnpasta aus der so unheimlich viele Reste rauskommen - und einer schmerzhaften Erkenntnis: Das deutsche Eishockey will es gar nicht besser machen. Mag sein, dass ich diese Aussage nach einem Blick hinter die Kulissen schlucken würde. Doch wer hat schon diesen „All-Access-Pass“?
Ich bin irgendwas zwischen frustriert und genervt, hasse es so im Regen stehen gelassen zu werden. Wer bin ich denn? Das Scheidungskind, welches Papa hätte vom Training holen sollen und Mama enttäuscht feststellen muss, dass dieser sich nie ändern wird? Ich verstehe nicht, wie eine ganze Riege Entscheidungsträger täglich über einen gigantischen Haufen Potenzial steigen können, ohne ihm entscheidend Beachtung zu schenken. Es ist das ganz klassische „wenn ich nicht hinschaue, ist es nicht da“. Tag, für Tag, für Tag.
Wo liegt meine Erwartungshaltung denn? An einer sofortigen Rücknahme der missglückten DEL2-Playdown-Regelung, welche vor Ersteinführung schon den „Gescheitert-Roast“ bekam? Bei perfekt ausgeklügelten Plänen den Fingerschnips-Einbürgerungen - und damit verbunden den ersten eingemeißelten Grabsteinen vieler Nachwuchs-Karrieren - entgegenzuwirken? Von wegen! Ich will nicht ignoriert werden und das möchten wohl ein paar Tausend weitere „Kunden“ dieses Sports ebenso nicht. Wenn mein Podcast-Partner Simon mir aufgrund von Nischen-Wissen, also keinesfalls offiziellen Kanälen, drei Wochen vor Saisonstart der DEL2 die Information „Das Gremium zur Entscheidung über eine Fortführung der Playdown-Regelung tagt erst noch“ mitteilt, brodelt es in mir. In jeder Branche der Wirtschaftswelt wären allein bei einer solchen Termin-Ansetzung Köpfe gerollt. Doch nicht mal das ist es, was mir so sauer aufstößt. Es ist die Tatsache, dass zu den großen Baustellen dieses Sports und der Liga keine Stellung bezogen wird. Worin besteht die Schwierigkeit diese Themen nur ein einziges Mal in völliger Transparenz an die Außenwelt weiterzugeben. „Aufgrund von […] werden die Themen […] in folgenden Kreisen diskutiert und nach einer Lösung gesucht. Wir haben das auf dem Schirm und werden lösungsorientiert daran arbeiten“. Dann macht halt Copy+Paste bei einer der millionenfach zu findenden Beispiele in der großen Weltneuheit – dem Internet.
Der nun folgende Exkurs ist ganz gewiss eine andere Dimension, aber man stelle sich vor der große FC Bayern München treffe Entscheidungen und kommuniziere diese nicht an die eigenen Fans – wohlgemerkt im Vorfeld. Noch schlimmer: er würde Bedürfnisse seiner Anhängerschaft ignorieren. Interne Kriege, eskalierende Pressekonferenzen, Boykotte auf den Rängen. Eine Skalierung, die auch auf die Bundesliga selbst aufgezogen werden kann - *Hust* Tennisbälle. Das mag an der einen oder anderen Ecke auch mal zu doll sein, vielleicht sogar eine gefährliche Verhältnismäßigkeit der Machtverschiebung, aber es ist unzählige Male besser als gar keine Kommunikation. Ich habe keine Lust, den Fußball auf ein Podest zu stellen, aber die Professionalisierung eines Volkssports zur Gelddruckmaschine ist imposant. Wieso also nicht das ein oder andere abschauen?
Reden! Schreiben! Podcasten! Mein Gott! Es gibt im Hier und Jetzt so unglaublich viele Wege die Menschen mitzunehmen und Wissensstände zu verteilen. Ich akzeptiere ja mittlerweile, dass die Digitalisierung und der Fortschritt im Eishockey mit dem Fahrrad auf der Autobahn vorangetrieben werden sollen. Aber riskiert dafür doch nicht unser in der Sportwelt für andere beneidenswertes Miteinander, indem das dauernde Nicht-Stellung-Beziehen die Lager spaltet. Wer will hochfrustrierte Eispiraten-Fans, die nach einer Sachsenderby-Klatsche gegen Dresden nicht sportlich, sondern hitzig-politisch ihrem Unmut Gehör verschaffen?
Mein Appell: Lernt zu kommunizieren, wie es sich in 2024 gehört. Die Zeiten von „wir machen das hinter verschlossenen Türen, wenn’s was zu verkünden gibt tun wir das“ sind leider Gottes vorbei und irgendwann muss das auch der Eishockeysport lernen. Aufgrund von fehlender Kommunikation, gingen millionenschwere Unternehmen schon Bankrott und setzten die Schicksale tausender Arbeitsplätze in den Sand. Ich will nicht schwärzer malen als die Farbe selbst, aber was ist denn nun mit dem Nachwuchseishockey oder Einbürgerungen über den Nitro-Knopf? Gibt’s einen Ansatz? Einen Plan? Wenigstens einen Agenda-Punkt? Ich bin echt angefressen, das wäre aber gaaaaaanz einfach rückgängig zu machen. In der Zeit, die ich jetzt benötige, Zahnpasta zu kaufen, wäre das Problem möglicherweise bereits aus der Welt kommuniziert. 😉
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Erik Pannach